LG Hamburg Urteil 327 O 195/23 vom 18.7.2024 - Wordle ...
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
und beschließt:
Der Streitwert wird auf € 600.000,00 festgesetzt.
Tatbestand Randnummer1
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen Benutzung des Zeichens „Wordle“ für ein Worträtselspiel auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung in Anspruch und begehrt die Einwilligung in die Löschung der deutschen Wortmarke „Wordle“ des Beklagten.
Randnummer2
Bei der Klägerin handelt es sich um die Herausgeberin der internationalen Tageszeitung „T. N. Y. T., einem der größten und bekanntesten Presseorgane weltweit, das im Jahr 2022 ca. 9,6 Mio. Abonnenten hatte. Die Webseite der Klägerin wurde im Januar und Februar 2022 von Deutschland aus ca. 2,5 Mio. mal besucht.
Randnummer3
Der Beklagte firmiert unter „S. H. – der Rätselmacher“ und veröffentlicht u. a. Rätselbücher. Mit seinem Team beliefert der Beklagte derzeit zudem über 400 Zeitungen und Zeitschriften, Verlage, Print- und Onlinemedien mit Rätseln unterschiedlichster Art. Randnummer4
Das englischsprachige (Online-)Worträtselspiel mit der Bezeichnung „Wordle“ wurde von dem in N. Y. lebenden Briten J. W. entwickelt. Dieser stellte es im Juni 2021 unter seiner Website www. p./ w. kostenlos im Internet ein. Bei diesem Spiel handelt es sich um ein ursprünglich browserbasiertes Rätsel, das täglich ein neues Lösungswort veröffentlicht. Das Lösungswort besteht aus fünf Buchstaben und muss von dem Spieler in möglichst wenigen Versuchen gefunden werden. Dafür trägt er in der ersten Zeile ein beliebiges fünfbuchstabiges Wort ein, woraufhin die Buchstaben farbig unterlegt werden: Grauer Hintergrund steht für Buchstaben, die im Lösungswort nicht vorkommen; gelber Hintergrund steht für Buchstaben, die im Lösungswort an anderer Stelle vorkommen; grüner Hintergrund für Buchstaben, die im Lösungswort an derselben Stelle stehen. Der Spieler hat höchstens sechs Versuche, um das Lösungswort zu finden. Randnummer5
Auf der privaten Website von J. W. war das Spiel über einen Hyperlink erreichbar. Es hieß auf der Website: Randnummer6
„Hi, I'm J.. Randnummer7
I enjoy building unique products that focus on human interaction. Randnummer8
Things about me Randnummer9
• I am an artist, product manager and engineer. Randnummer10
• I live in O., CA B., NY Randnummer11
• On the internet, I often go by powerlanguage.“
Randnummer12
Werbung fand sich auf der Website durchgängig nicht. Randnummer13
Im November 2021 hatte das Spiel 90 Spieler. Nachdem J. W. im Dezember 2021 die Möglichkeit hinzugefügt hatte, dass Spieler ihre Ergebnisse mittels Emojis in Form farbiger Quadrate in den sozialen Medien zu teilen, wuchsen die Nutzerzahlen explosionsartig an. Ab dem 3. Januar 2022 kam es zu Berichterstattungen in der internationalen Presse zu „Wordle“, beginnend mit einem Artikel in „T. N. Y. T.“ (Anlage TW 4). Ab dem 7. Januar 2022 kam es auch zu Berichterstattungen in Deutschland, u. a. am 8. Januar 2022 im „S.“ (Anlage TW 6), am 10. Januar 2022 im „s.“ (Anlage TW 7) und im Laufe des Monats auch in „Z. online“, „B.“, S. Z.“ und „F.“. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen TW 4 bis TW 16 Bezug genommen. Randnummer14
Die Webseite von J. W. wurde auch aus Deutschland zunehmend häufiger aufgerufen. Während es am 1. Dezember 2021 noch 13 Nutzer waren, waren es um den Jahreswechsel herum schon ca. 2.000 Nutzer und bis zum 15. Januar 2022 bereits ca. 50.000 Nutzer, während am 31. Januar 2022 schon knapp 150.000 Nutzer aus Deutschland die Seite von J. W. besuchten. Randnummer15
Am 4. Januar 2022 kontaktierte die Klägerin J. W., um die Möglichkeit eines Kaufs des Spiels zu erörtern. Am 6. Januar 2022 schloss die Klägerin mit J. W. ein „Mutual non Disclosure Agreement“ mit dem Ziel, in Verhandlungen über den Erwerb der Rechte an dem Rätselspiel einzutreten. Am 11. Januar 2022 führte J. W. ein Gespräch mit dem Venture Capital Unternehmen A. H1. Am 13. Januar 2022 unterzeichnete J. W. einen „Letter of Intent“, um mit der Klägerin exklusiv über den Verkauf der Rechte an dem Worträtselspiel zu verhandeln. Am 31. Januar 2022 schlossen die Klägerin und J. W. eine Vereinbarung über die Übertragung der Rechte an dem Rätselspiel „W.“, einschließlich des Rechts am Werktitels. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage TW 45 zur Akte gereichte (teilweise geschwärzte) Kopie des Kaufvertrags Bezug genommen. Randnummer16
Am 1. Februar 2022 meldete die Klägerin die US-Wortmarke... „WORDLE“ für die Dienstleistungen Randnummer17
„Entertainment services, namely, providing a website featuring games and puzzles; Entertainment services, namely, providing an on-line computer game; Providing an online computer game in the field of word games, spelling, and word puzzles.” Randnummer18
an und machte dort eine Erstbenutzung (first use) der Marke vom Oktober 2021 geltend (Anlage TW 25). Randnummer19
Am 10. Februar 2022 meldete die Klägerin die Unionsmarke... „WORDLE“ für die Dienstleistungen der Klasse 41 Randnummer20
„Unterhaltungsdienstleistungen, nämlich Bereitstellung einer Website mit Spielen und Rätseln; Unterhaltung, nämlich Bereitstellung eines Online-Computerspiels; Online angebotene Spieldienstleistungen in Bezug auf die folgenden Bereiche: Wörterspiele, Rechtschreibung und Wortpuzzles“ Randnummer21
an und beanspruchte für diese Marke die Priorität der US-Erstanmeldung vom 1. Februar 2022 (Anlage TW 26). Randnummer22
Das „Wordle“-Spiel verblieb Anfang Februar zunächst noch auf der Website von J. W. und zog noch in der ersten Februarhälfte 2022 auf die Website der Klägerin um, wo es bis heute von einer sehr hohen Anzahl an Spielern gespielt wird. Randnummer23
Der Beklagte hatte im Dezember 2021 von dem „Wordle“-Spiel Kenntnis erlangt und mit der Programmierarbeit an einer deutschen Version des Spiels begonnen. Randnummer24
Am 1. Februar 2022 meldete der Beklagte die deutsche Wortmarke „Wordle“ für die Waren in Klasse 16 Randnummer25
„Kalender; Kinderbeschäftigungsbücher; Bücher; Bücher für Kinder; Magazine im Bereich Spiele; Bücher im Bereich Spiele; Kreuzworträtsel (Druckereierzeugnisse); Sachbücher“ Randnummer26
und in Klasse 28 Randnummer27
„Gedächtnisspiele; Ratespiele“ Randnummer28
sowie die Dienstleistungen in Klasse 41 Randnummer29
„Organisation von Quizprogrammen, Spielen und Wettbewerben“ Randnummer30
an. Wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage TW 31 zur Akte gereichten DPMA-Registerauszug Bezug genommen. Der Beklagte wusste am Tag der Anmeldung am 1. Februar 2022 aufgrund der Presseberichterstattung, dass die Klägerin die Rechte an dem Spiel am Vortag von J. W. erworben hatte. Randnummer31
Ab März 2022 bot der Beklagte eine deutschsprachige Version des Rätselspiels unter dem Titel „Wordle“ auf seiner Website an (Anlage TW 29) und bewarb auf seiner Website auch weitere Publikationen unter dem Titel „Wordle“. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die Anlage TW 28 Bezug genommen. Randnummer32
Am 31. Oktober 2022 mahnte die Klägerin den Beklagten ab (Anlage TW 39). Der Beklagte ließ die Ansprüche durch anwaltliches Schreiben vom 11. November 2022 zurückweisen (Anlage TW 40). Die Klägerin beantragte am 5. Dezember 2022 den Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Düsseldorf. Mit Urteil vom 1. März 2023 wies das Landgericht Düsseldorf den Antrag zurück (Anlage TW 41). Randnummer33
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr wegen der Nutzung des Kennzeichens „Wordle“ durch den Beklagten ein Unterlassungsanspruch sowie Annexansprüche auf Auskunftserteilung, Schadensersatzfeststellung und Rückruf entsprechend gekennzeichneter Ware zustehe. Zudem stehe ihr ein Anspruch auf Einwilligung des Beklagten in die Löschung seiner deutschen Wortmarke „Wordle“ zu. Randnummer34
Die Klägerin stützt Ihr Unterlassungsbegehren sowie die geltend gemachten Annexansprüche vorrangig auf ihre Werktitelrechte an dem Zeichen „Wordle“ gemäß § 5 Abs. 1, Abs. 3, 15 Abs. 2, Abs. 4 MarkenG. Hilfsweise stützt sie sich auf die Verletzung ihrer Unionsmarke... „WORDLE“ gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. a), lit. b) UMV. Ihr Begehren auf Löschung der Marke des Beklagten macht sie vorrangig unter dem Gesichtspunkt der gezielten Mitbewerberbehinderung gemäß §§ 3, 4 Nr. 4, 8 Abs. 1 UWG geltend. Hilfsweise stützt die Klägerin ihr Löschungsbegehren auf ihr Werktitelrecht an dem Zeichen „Wordle“ gem. §§ 12, 15 Abs. 2, Abs. 4, 51 Abs. 1 MarkenG. Randnummer35
Sie ist der Auffassung, dass ein Werktitelrecht an dem Zeichen „WORDLE“ in Deutschland durch J. W. spätestens Mitte Januar 2022 durch Nutzung auf dessen Website entstanden sei. Dieses Werktitelrecht sei durch die Vereinbarung mit der Klägerin am 31. Januar 2022 auf diese übergegangen. J. W. habe diesen Werktitel auch „im geschäftlichen Verkehr“ genutzt. Hintergrund dieser Tatbestandsvoraussetzung sei, dass das Werktitelrecht im Gegensatz zu registrierten Domains oder eingetragenen Marken durch die bloße Ingebrauchnahme des Titels entstehe und es daher im Interesse des Verkehrs und insbesondere der Wettbewerber einer hinreichenden Erkennbarkeit bedürfe. Diese könne nur durch ein Tätigwerden auf dem Markt sichergestellt werden, denn nur dieser könne von den Mitbewerbern entsprechend beobachtet werden. Dabei seien an den Benutzungsumfang keine besonderen Anforderungen zu stellen, außer der Tatsache, dass die Benutzung von einem ernsthaften Benutzungswillen getragen werden müsse. Diese Voraussetzungen seien spätestens Mitte Januar 2022 gegeben gewesen. Zu dieser Zeit habe es - unstreitig - auch in Deutschland schon umfangreiche Presseberichterstattung über die Website von J. W. gegeben. Zudem sei das Spiel in dieser Zeit auch aus Deutschland heraus bereits sehr häufig gespielt worden. Auch sei ab dieser Zeit von einer kommerziellen Nutzung durch J. W. auszugehen, weil er in dieser Zeit bereits Gespräche über den Verkauf der Rechte an „Wordle“ führte. Die Markenrechte des Beklagten seien prioritätsälter. Zudem stehe dem Beklagten hinsichtlich seiner Marke kein Benutzungsrecht zu, weil die Markeneintragung in Behinderungsabsicht erfolgt sei. Deshalb stehe der Klägerin auch der hilfsweise geltend gemachte markenrechtliche Unterlassungsanspruch aus ihrer Unionsmarke „WORDLE“ zu. Randnummer36
Zudem stehe der Klägerin ein Anspruch auf Einwilligung in die Löschung der deutschen Marke... „Wordle“ zu, da die Anmeldung der Marke mit der Absicht erfolgt sei, die Klägerin gezielt zu behindern. Das Zeichen „Wordle“ habe zu dem Zeitpunkt der Markenanmeldung im Ausland bereits eine überragende Verkehrsgeltung erlangt und auch bei inländischen Fachkreisen eine hinreichende Bekanntheit erlangt. Die bereits im Dezember 2021 vorhandene Kenntnis des Beklagten von der Nutzung des Zeichens „Wordle“ durch J. W. lasse den Schluss zu, dass der Beklagte die Markenanmeldung gezielt zur Behinderung der Klägerin vorgenommen habe. Dadurch werde der Besitzstand der Klägerin gestört. Ein weiteres Indiz für die Behinderungsabsicht des Beklagten sei es, dass er auch in gestalterischer Hinsicht, insbesondere im Hinblick auf die identische Farbwahl, das Rätselspiel von J. W. nachgeahmt habe. Hilfsweise stehe der Klägerin gemäß §§ 12, 15 Abs. 2 und 4 MarkenG aufgrund ihres prioritätsälteren Werktitelrechts und dem ihr zustehenden bundesweiten Unterlassungsanspruch ein Anspruch gegen die Beklagten auf Löschung der deutschen Marke... „Wordle" zu. Randnummer37
Die Klägerin beantragt, Randnummer38
1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland das Wort „Wordle“ als Zeichen für ein Worträtselspiel zu benutzen, wenn dies wie nachfolgend abgebildet geschieht:
1.1
Randnummer39
und/oder
1.2
Randnummer40
und/oder
1.3
Randnummer41
und/oder
1.4
Randnummer42
und/oder
1.5
Randnummer43
und/oder
1.6
Randnummer44
2. den Beklagten zu verurteilen, in die Löschung der deutschen Wortmarke... „Wordle“ einzuwilligen;
Randnummer45
3. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg der gem. Antrag 1 gekennzeichneten Worträtselspiele zu erteilen, insbesondere Angaben zu machen über Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die die Worträtselspiele bestimmte waren, über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Worträtselspiele sowie über die Preise, die für diese bezahlt worden sind;
Randnummer46
4. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über Art, Umfang und Zeitraum der unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen zu erteilen, insbesondere unter Darlegung der Veröffentlichungskanäle und -medien, der Dauer der Veröffentlichung, der Auflagen und der Anzahl der Zugriffe im Internet sowie der getätigten Umsätze und Gewinne unter Angabe sämtlicher Kostenfaktoren, jeweils aufgeschlüsselt nach Kalendermonaten;
Randnummer47
5. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die dieser aus der Vornahme der unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen in der Bundesrepublik Deutschland entstanden sind oder künftig entstehen werden;
Randnummer48
6. den Beklagten zu verurteilen, die gem. Antrag 1 gekennzeichneten Worträtselspiele zurückzurufen, sie endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen sowie sämtliche in seinem Besitz oder in seinem Eigentum befindliche Worträtselspiele zu vernichten.
Randnummer49
Der Beklagte beantragt,
Randnummer50
die Klage abzuweisen.
Randnummer51
Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass kein Recht an einem Werktitel zugunsten von J. W. bzw. ab dem 31. Januar 2022 zugunsten der Klägerin in Deutschland entstanden sei. Es fehle diesbezüglich bereits an einem Handeln im geschäftlichen Verkehr durch J. W., der seine Website rein privat genutzt habe. Zudem sei das Rätselspiel nicht bestimmungsgemäß an den deutschen Verkehrskreis gerichtet, sondern richte sich u. a. aufgrund der Schwierigkeit der verwendeten Lösungswörter vornehmlich an Muttersprachler. Aufgrund der prioritätsgleichen Markenrechte der Parteien stehe der Klägerin auch kein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch und kein Löschungsanspruch zu. Der Beklagte habe bei der Markenanmeldung auch nicht unlauter gehandelt. Randnummer52
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe Randnummer53
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Randnummer54
Der Klägerin stehen der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt des Werktitelschutzes noch aus ihrer Unionswortmarke „WORDLE“ zu (dazu unten I.). Ein Anspruch auf Einwilligung in die Löschung der deutschen Wortmarke „Wordle“ des Beklagten steht ihr nicht unter dem vorrangig geltend gemachten Aspekt der Markenanmeldung in Behinderungsabsicht und auch nicht aufgrund eines prioritätsbesseren Werktitelrechts zu (dazu unten II.). Schließlich stehen ihr auch die geltend gemachten Annexansprüche auf Auskunftserteilung, Schadensersatzfeststellung und Rückruf entsprechend gekennzeichneter Ware gegen den Beklagten nicht zu (dazu III.).
I. Randnummer55
Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten wegen Nutzung des Zeichens „W.“ in der aus den Einblendungen in den Klagantrag ersichtlichen Weise zu.
Randnummer56
1. Sie kann sich nicht mit Erfolg auf einen Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 2, Abs. 4 MarkenG i. V. m. § 5 Abs. 1, Abs. 3 MarkenG gegen den Beklagten berufen. Ihr steht nämlich kein gegenüber der deutschen Wortmarke „Wordle“ des Beklagten prioritätsbesseres Recht am Werktitel „WORDLE“ zu (a.) und dem Beklagten ist es nicht aus lauterkeitsrechtlichen Gründen oder unter dem Gesichtspunkt der bösgläubigen Markenanmeldung verwehrt, sich auf sein Markenrecht zu berufen (b.).
Randnummer57
a. Der Klägerin steht kein deutsches Werktitelrecht zu, das vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der deutschen Wortmarke „Wordle“ durch den Beklagten am 1. Februar 2022 entstanden wäre. Sie selbst hat das Zeichen „WORDLE“ erst im Laufe des Februars 2022 auf ihrer Webseite genutzt. Ihr stehen aber auch keine Werktitelrechte zu, welche durch die Vereinbarung mit J. W. vom 31. Januar 2022 auf sie übergegangen wären. J. W. hat nämlich zu diesem Zeitpunkt selbst kein Recht an einem Werktitel im Sinne von § 5 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 3 MarkenG erworben, über das er mit der Vereinbarung vom 31. Januar 2022 verfügen konnte.
Randnummer58
aa. Der Werktitelschutz als geschäftliche Bezeichnung im Sinne von § 5 Abs. 1 Alt. 2 MarkenG entsteht grundsätzlich mit der Aufnahme der Benutzung eines unterscheidungskräftigen Titels im geschäftlichen Verkehr im Inland (BGH, GRUR 2019, 535 Rn. 17 – Das Omen; GRUR 2009, 1055 Rn. 41 – airdsl; GRUR 2000, 70, 72, juris-Rn. 28 – SZENE; GRUR 1998, 1010, 1012, juris-Rn. 23 – WINCAD). Es kommt auf die Wahrnehmbarkeit des Werks auf dem Markt an (BeckOK MarkenR/Weiler, 36. Ed. 1.1.2024, MarkenG, § 5 Rn. 220). Das setzt grundsätzlich eine Veröffentlichung voraus. Es spielt keine Rolle, ob der Bezug für den Verkehr mit Entgelten verbunden ist, solange sich der Vertrieb an die Öffentlichkeit richtet (Ingerl/Rohnke/Nordemann/J. B. Nordemann, 4. Aufl. 2023, MarkenG § 5 Rn. 95).
Randnummer59
Die Rechtsprechung legt an das Vorliegen eines Handelns im geschäftlichen Verkehr regelmäßig großzügige Maßstäbe an. Der Begriff ist weit auszulegen und umfasst jede wirtschaftliche Betätigung, mit der in Wahrnehmung oder Förderung eigener oder fremder Geschäftsinteressen am Erwerbsleben teilgenommen wird. Eine Gewinnerzielungsabsicht oder Entgeltlichkeit der Handlung ist nicht erforderlich. Nicht erfasst werden demgegenüber lediglich rein private, wissenschaftliche, politische und amtliche Handlungen. Für das Handeln im geschäftlichen Verkehr kommt es auf die erkennbar nach außen tretende Zielrichtung des Handelnden an. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr ist stets gegeben, wenn juristische Personen handeln. Bei Privatpersonen, Idealvereinen und hoheitlichem Handeln bedarf es dagegen der positiven Feststellung eines Handelns im geschäftlichen Verkehr (BeckOGK/B. Koch, 1.8.2023, BGB § 12 Rn. 529 m. w. Nachw.).
Randnummer60
Die Frage, wann Werktitel im geschäftlichen Verkehr genutzt werden, ist – soweit ersichtlich – bislang weder von der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch von der Kommentarliteratur in den Blick genommen worden. Für den aus Sicht der Kammer vergleichbaren Fall der Nutzung von Internetdomains wird angenommen, dass es einer positiven Feststellung bedarf, dass die Domain im geschäftlichen Verkehr benutzt wird, wobei im Zweifel von einer rein privaten Nutzung auszugehen ist (BGH GRUR 2008, 1099, 1100 – afilias.de). Sind unter der Domain bereits Inhalte hinterlegt, kommt es bei der Beurteilung eines Handelns im geschäftlichen Verkehr maßgeblich auf den Inhalt der Webseite an. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr liegt jedenfalls dann vor, wenn unter der Domain kommerzielle Angebote unterbreitet werden bzw. die Domain zu einem solchen kommerziellen Angebot führt (BGH GRUR 2009, 1055, 1059 – airdsl). Bietet der Domaininhaber dem Inhaber des vermeintlich besseren Rechts die Domain zum Kauf an, begründet dies alleine noch kein Handeln im geschäftlichen Verkehr (BGH, GRUR 2016, 810 Rn. 25 – profitbricks.es). Dementsprechend liegt eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr ebenfalls noch nicht vor, wenn ein Interessent an den Inhaber eines Domainnamens herantritt und ein Kaufangebot unterbreitet. Wird die Registrierung allerdings bereits mit dem Willen vorgenommen, die Domain zu lizenzieren oder zu veräußern, liegt im Zweifel ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vor Ingerl/Rohnke/Nordemann/A. Nordemann, MarkenG § 14 Rn. 85). Randnummer61
Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Nutzung des Werktitels „WORDLE“ durch J. W. auf dessen privater Website nicht im geschäftlichen Verkehr erfolgt ist. Die Website wies unstreitig keinerlei kommerzielle Inhalte auf. Weder fanden sich allgemeine werbliche Inhalte noch konnten irgendwelche Waren oder Dienstleistungen über diese Website bezogen werden. Die gesamte Aufmachung der Website wies den gesamten Januar 2022 hindurch einen unzweifelhaften privaten Charakter auf, wie sich schon der Überschrift „Hi, I am J..“ entnehmen lässt. Auch der verwendete Domainname „www. p..co.uk“ lässt keinen kommerziellen Inhalt erkennen. Schließlich wurde auch das streitgegenständliche Spiel „Wordle“ auf der Seite kostenfrei angeboten. An diesen nach außen erkennbaren Umständen änderte sich bis zum Abschluss der Vereinbarung am 31. Januar 2022 und auch in den Tagen bis zum Umzug auf die Website der Klägerin nichts. Auch die immer stärker steigende Nutzerzahl der Website sowie die Berichterstattung darüber führt nicht dazu, dass sich der Charakter der nach außen unverändert gebliebenen Website geändert hätte. Dass sich viele Menschen für den Inhalt einer Website oder hier für ein dort abrufbares kostenloses Spiel interessieren, führt nicht dazu, dass dessen Titel im geschäftlichen Verkehr genutzt wird, solange der erhöhte Traffic auf der Seite auch weiterhin nicht – etwa durch das Schalten von Werbung – kommerziell genutzt wird.
Randnummer62
Es ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht davon auszugehen, dass durch die Gespräche, die J. W. im Laufe des Januars mit verschiedenen Interessenten über den Verkauf des Rätselspiels und der damit zusammenhängenden Rechte führte, der Titel „WORDLE“ ab Mitte Januar 2022 im geschäftlichen Verkehr genutzt worden wäre. Der bloße Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt die hohe Aufmerksamkeit, welche dem Rätselspiel mit dem Titel „WORDLE“ zuteil wurde, den Kauf des Spiels und der damit zusammenhängenden Rechte für Interessenten attraktiver machte und dadurch die Verhandlungsposition von J. W. stärkte, führt nicht dazu, dass sich zu dieser Zeit das rechtliche Gepräge der Titelnutzung änderte. Dadurch, dass die Website aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs ihren privaten Charakter durchgehend beibehielt, zumal dort nicht über die bereits laufenden Verhandlungen berichtet wurde, erfolgte die Titelnutzung von „WORDLE“ weiterhin privat und nicht im geschäftlichen Verkehr. Wie dies auch bei Internetdomains der Fall ist, führt die bloße Aufnahme von Verkaufsgesprächen noch nicht zu einer kommerziellen Nutzung (vgl. BGH, GRUR 2016, 810 Rn. 25 – profitbricks.es).
Randnummer63
bb. Offen bleiben kann deshalb die Frage, ob – eine Aufnahme der Werktitelnutzung bereits im Januar 2022 durch J. W. unterstellt – diese einen hinreichenden Inlandsbezug in der Bundesrepublik Deutschland aufgewiesen hätte. Insoweit dürfte zu fordern sein, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Titelnutzung in Deutschland nicht nur als völlig untergeordnet einzustufen sind, vielmehr von einem „commercial effect“ der Titelnutzung auch in Deutschland auszugehen wäre. An diesem dürfte es aufgrund der fehlenden Kommerzialisierung der Website vor dem 1. Februar 2022 ebenfalls fehlen.
Randnummer64
2. Auch der hilfsweise geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus Art. 9 Abs. 2 lit. a), lit. b) UMV in Verbindung mit der Unionsmarke... „WORDLE“ steht der Klägerin nicht zu. Da sowohl die Unionsmarke der Klägerin als auch die deutsche Wortmarke des Beklagten eine Priorität vom 1. Februar 2022 in Anspruch nehmen, führt dies nach § 6 Abs. 4 MarkenG i. V. m. Art. 36, 37 UMV dazu, dass aus diesen gleichrangigen Kennzeichenrechten gegeneinander keine Ansprüche begründet werden können.
Randnummer65
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Beklagte gehindert sei, sein Markenrecht geltend zu machen, weil die Markenanmeldung gemäß § 4 Nr. 4 UWG in Behinderungsabsicht erfolgt sei.
Randnummer66
Die markenrechtlichen Bestimmungen der § 8 Abs. 2 Nr. 14 und § 50 Abs. 1 MarkenG, Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV zur bösgläubigen Markenanmeldung schließen die Anwendung des UWG nicht aus (vgl. Köhler/Alexander, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 4 Rn. 4.84 m. w. Nachw.). Erste Voraussetzung der Unlauterkeit der Markenanmeldung ist insoweit, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass der Mitbewerber ein gleiches oder ein ähnliches Kennzeichen im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat für gleiche oder verwechselbar ähnliche Waren benutzt oder benutzen möchte, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben (EuGH, GRUR 2009, 763 Rn. 34–53 – Lindt & Sprüngli; BGH, GRUR 2004, 790 (793) – Gegenabmahnung; BGH, GRUR 2005, 581, 582 – The Colour of Elégance). Als zweite Voraussetzung müssen besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen lassen (BGH, GRUR 2008, 160 Rn. 19 – CORDARONE; GRUR 2008, 917 Rn. 20 – EROS; WRP 2010, 764 Rn. 51 – WM-Marken). Letzteres ist etwa der Fall, wenn die Anmeldung ohne ausreichenden sachlichen Grund mit dem Ziel der Störung eines schutzwürdigen inländischen Besitzstandes des Vorbenutzers geschieht oder sie in der Absicht erfolgt, für den Vorbenutzer den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren oder damit das Ziel verfolgt wird, die kraft Eintragung entstehende und lauterkeitsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung der Marke ohne sachlichen Grund und damit zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen (Köhler/Alexander a. a. O., § 4 UWG Rn. 4.84b mit umfangreichen Nachw.). Ein schutzwürdiger Besitzstand des Vorbenutzers setzt dabei eine gewisse Bekanntheit im Prioritätszeitpunkt entweder auf Grund einer im Inland erfolgten Nutzung oder einer überragenden Verkehrsgeltung im Ausland voraus (BGH, GRUR 2008, 621 Rn. 21 – AKADEMIKS). Um festzustellen, ob der Markenanmelder in Behinderungsabsicht gehandelt hat, ist eine Gesamtabwägung aller relevanten Umstände erforderlich (Köhler/Alexander a. a. O.).
Randnummer67
Vorliegend kann nach Abwägung aller relevanten Umstände nicht festgestellt werden, dass der Beklagte die Anmeldung der deutschen Wortmarke „Wordle“ am 1. Februar 2022 in Behinderungsabsicht vorgenommen hat. Es ist zwar davon auszugehen, dass er zu diesem Zeitpunkt sowohl davon wusste, dass J. W. den Titel „WORDLE“ bereits Ende 2021 für sein Rätselspiel genutzt hatte, als auch, dass die Klägerin am 31. Januar 2022 – also am Vortag der Markenanmeldung – die Rechte an diesem Spiel erworben hatte. Dies reicht aber für sich genommen nicht aus, um von einer unlauteren Markenanmeldung auszugehen. Insoweit ist insbesondere von Bedeutung, dass die Klägerin am 1. Februar noch keinen schutzwürdigen Besitzstand im Inland, also in der Bundesrepublik Deutschland, erworben hatte. Da J. W. nicht im geschäftlichen Verkehr gehandelt hat, ist ein Werktitelrecht zu diesem Zeitpunkt noch nicht begründet worden (s.o. I.1.a). Die Klägerin konnte deshalb am 31. Januar 2022 auch kein bereits entstandenes Werktitelrecht erwerben. Aufgrund der rein privaten Nutzung ist auch nicht von einer überragenden Verkehrsgeltung des Titels im geschäftlichen Verkehr der USA auszugehen. Auch für den Kläger war aufgrund der Webseitengestaltung von J. W. klar erkennbar, dass insoweit eine rein private Nutzung erfolgt ist, was gegen eine Markenanmeldung in Behinderungsabsicht spricht. Hinzu kommt, dass der Beklagte die Absicht verfolgte, dass Zeichen „Wordle“ selbst für eine deutschsprachige Version des Rätselspiels zu nutzen und insoweit bereits im Dezember 2021 mit der Programmierung begann. Vor diesem Hintergrund kommt auch dem Umstand, dass sich der Beklagte in gestalterischer Hinsicht für sein Spiel an dem englischsprachigen Vorbild orientierte, keine entscheidende Rolle zu. Er führt insbesondere nicht dazu, dass anzunehmen wäre, dass die Sperrabsicht ein wesentliches Motiv bei der Markenanmeldung gewesen ist. Schließlich musste der Beklagte auch in Kenntnis des Rechteerwerbs durch die Klägerin nicht davon ausgehen, dass diese beabsichtigte, sich ihrerseits zeitnah Kennzeichenrechte in Europa und damit auch in Deutschland an dem Zeichen „WORDLE“ zu sichern. Entsprechende hinreichende Anhaltspunkte waren für den Beklagten nicht erkennbar.
II. Randnummer68
Der Klägerin steht auch kein Anspruch gegen den Beklagten auf Löschung der deutschen Wortmarke des Beklagten zu. Soweit sie diesen Anspruch vorrangig unter dem Gesichtspunkt der gezielten Mitbewerberbehinderung gemäß §§ 3, 4 Nr. 4, 8 Abs. 1 UWG geltend macht, fehlt es an einer Markenanmeldung in Behinderungsabsicht. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter I.2 verwiesen werden. Soweit sich die Klägerin insoweit hilfsweise auf ihr Werktitelrecht an dem Zeichen „Wordle“ gemäß §§ 12, 15 Abs. 2, Abs. 4, 51 Abs. 1 MarkenG stützt, steht ihr der geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht zu. Wie bereits ausgeführt steht der Klägerin kein gegenüber der deutschen Wortmarke des Beklagten „Wordle“ prioritätsbesseres Werktitelrecht zu (vgl. oben I.1.a).
III. Randnummer69
Mangels Hauptanspruchs stehen der Klägerin auch nicht die geltend gemachten Annexansprüche auf Auskunftserteilung, Schadensersatzfeststellung und Rückruf entsprechend gekennzeichneter Ware gegen den Beklagten zu.
IV. Randnummer70
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 709 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ist nach § 51 Abs. 1 MarkenG erfolgt. Soweit aufgrund der Erfolglosigkeit der Hauptanträge auch über die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche, die jeweils einen eigenständigen Streitgegenstand darstellen, zu entscheiden ist, erfolgt eine Erhöhung des Streitwerts nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG. |