| BKartA 2.Kammer VK2-63/24 vom 1.9.2024Notwendige Kausalität von behaupteter Rechtsverletzung und Schaden nach § 160 Abs. 2 GWB; keine Fachlosbildung geschuldet... -10- fehlenden Produktneutralität zu subsumieren, indem sie das Zertifikat nicht als solches, sondern ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer Ungleichbehandlung thematisiert:Angeboteauf der Basis von[...]-Produktenmüssten, so die AStim Nachprüfungsverfahren,dieKWF-ZertifikateimGegensatz zur AStnicht einreichen, was ebenfalls einen Verstoß gegen die Produktneutralitätdarstelle.Aus Sicht der Ag, die den objektiven Empfängerhorizont prägt, konntediese von der ASt intendierte indirekte Thematisierung der KWF-Zertifikateunter dem Gesichtspunkt der fehlenden ProduktneutralitätderRügejedochnichtentnommenwerden.Beider Produktneutralität geht es um die Beschreibung des zu liefernden Produktsan sich, vgl. § 31 Abs. 6 VgV, wohingegen die ASt sich lediglich dagegen wendet, die KWF- Zertifikate im Gegensatz zu[...]-Angeboten einreichen zu müssen. KWF-Zertifikate belegen zwar auch Eigenschaften des Produkts,sind jedoch für jedes Produkt, egal welchen Herstellers, zugänglich, so die Voraussetzungen für die Erteilung erfüllt werden.Auch die ASt verfügt über ein gültiges Zertifikat.Indemnur fürandere Hersteller als[...]die KWF-Zertifikatemit dem Angeboteingereicht werdenmüssen, weil der Ag das Vorhandenseinbei[...]bereitsbekannt ist,mag eine Besserstellung für die[...]-Produkte implizieren,hatabernichts mit Produktneutralität zu tun.Ob diese Besserstellung die Grenze zur Vergaberechtswidrigkeit überschreitet, kannim vorliegendenRüge-Kontextoffenbleiben, erscheintaber als fraglich,daesbei Vorhandensein der KWF-Zertifikate auch für andere Produkte kein Problem darstellt, dengefordertenNachweis durch schlichtes Beifügen einer Kopie der Zertifikate zu führen. Für die Ag und auch aus objektiver Sicht war jedenfalls nicht erkennbar, dass dieASt ohneNennungdesStichwortes„KWF-Zertifikat“auchdieseAnforderung beanstanden wollte.Es fehlt mithin in Bezug auf die gesamte KWF-Thematik an einer Rüge, so dass der diesbezügliche Vortrag unzulässig ist. bb)Grenzwertig ist auch die Tiefe der Rüge in Bezug auf den Aspekt der Losbildung. Die ASt hat die Ag lediglich aufgefordert, „eine Losvergabe zu ermöglichen“. Im Gegensatz zum KWF-Zertifikatwird die Losbildung zwar zumindest erwähnt. An jeder Art von näherer Spezifizierung, warum und in welcher Weise eine Losaufteilung stattfinden soll, fehlt es indes; es bleibt bei der bloßen Nennungdes Stichwortes. Allerdingshatdie Ag in ihrer Rügeerwiderung vom 4. Juni 2024 zum Thema der unterbliebenen Losaufteilung Stellung genommen, so dass dieser Punkt durch die Ag -11- als Rüge wahrgenommen wurde.Insofern kannzugunsten der im Zeitpunkt der Rüge nochnicht anwaltlich vertretenen ASt davon ausgehen,dassdie bloße Nennung des Begriffszur Erfüllung der Rügeobliegenheitausgereicht hat. Esbesteht hierjedocheine andere Problematik. Die AStbegehrt, wie sie erstmals und deutlich nach der mündlichen Verhandlung, die am 23. Juli 2024 stattgefunden hat,im Schriftsatz vom 5. August 2024vorträgt,die Losaufteilungaus einem Grund, der vomSchutzzweck der Normnicht gedeckt ist.Die AStbegehrt eine ganz bestimmte Art derLosaufteilung, nämlicheine Einteilungin die vierverschiedenen Typen, weildie ASt selbst nur in einer Klasse über ein derzeit gültiges Zertifikat verfügt. Der Schutzzweck der Norm des § 97 Abs. 4 GWB liegt aber nicht darin, über ein fehlendes Zertifikat hinwegzuhelfen, dessenrechtmäßigeForderung durch den jeweiligen Antragstellermit dem Nachprüfungsbegehren–so wie hier–gar nichtin Fragegestelltwird.DieLosaufteilungist,wieallgemeinim VergabenachprüfungsverfahrenmitsubjektivemRechtsschutz, kein Selbstzweck, sondernsollUnternehmen,die fachlichodermengenmäßignichtdiegesamte Leistung erbringen können, eine Wettbewerbsteilnahme ermöglichen. Die ASt hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, jeden der geforderten Typen liefern zu können und auch keinLieferproblem inBezug auf die geforderte Menge zu haben. Wird aber eine Vorgabe, die für denjeweiligenAntragsteller erfüllbar ist, angegriffen aus einem Grund, der nicht im Schutzzweck der Norm liegt, so ist dieAntragsbefugnis fraglich.Die in § 160 Abs. 2 S. 2 GWB vorausgesetzteKausalität des Schadens, der durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschrift entstanden sein muss, ist nicht gegeben; der Hinderungsgrund für die Angebotsabgabe liegt in der Forderung nach dem KWF-Zertifikat.Eigentlich hätte die ASt die Forderung nach dem KWF- Zertifikat angreifen müssen, die sie aber offensichtlich für legitim hältund als solche nichtbeanstandet.DieLosaufteilungerscheinthieralseininstrumentalisiertes Argument. Da die Voraussetzungen der Antragsbefugnis aberlediglich als grober Filterfungieren,um offensichtlich erfolglose Nachprüfungsbegehren zu verhindern (BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004–2 BvR 2248/03),ist hier dennoch vom Vorliegender Antragsbefugnis auszugehen.Angesichts des gesetzlichen Regel- Ausnahme-Verhältnissesin§97Abs.4S.2GWBistesnichtgänzlich ausgeschlossen, dass die ASt sich auf das Losaufteilungsgebot berufen kann, so dass die Antragsbefugnis zu bejahen ist. -13- weil diese in entsprechenden Parametern optimale Werte aufwiesen. Daher sei „aus GründendesArbeits-undGesundheitsschutzes(…)eineNennungder Produktbezeichnung gerechtfertigt“.Maßstab für die Zulässigkeit der Benennung eines Leitfabrikats ist nach § 31 Abs. 6 VgV aber nicht, welches Produkt der Auftraggeber für vorzugswürdig hält. Die Vorschrift stellt vielmehr darauf ab, ob das gewünschte Produkt ohne Verweis auf das Leitfabrikat nicht hinreichend genau beschrieben werden kann. Insoweit trifft der Vergabevermerk keine Feststellungen. Sollte die Ag beispielsweise der Meinung sein, es sei zu kompliziert, eine Vielzahl technischerParameterselbstfestzulegen,oderaberesfehleihrander Sachkompetenz,dieszutun,sohatsiebeieinerZurückversetzungdes Vergabeverfahrens im Vergabevermerk solche Überlegungen anzustellen,diesich decken mit den Vorgaben des § 31 Abs. 6 VgV. bb)Ein Verstoß gegen das Gebot der Produktneutralität liegt aber auchdann vor, wenn mandieVorgabe des Leitprodukts für zulässig halten würde.Ein öffentlicher Auftraggeber hat sich stets auch mitden wettbewerblichen Auswirkungen seiner Vorgaben zu beschäftigen, § 97 Abs. 1 GWB(vgl. z.B. für Referenzanforderungen BayObLG, Beschluss vom 6. September 2023–Verg 5/22). Hier sind die Vorgaben derLeistungsbeschreibungzwargrundsätzlichmitdemGleichwertigkeitszusatz versehen.DieProduktederAStsindausweislichderFeststellungenim Vergabevermerk, a.a.O., als gleichwertig sowohl durch die Praktiker der Ag als auch in Bezug aufdas optimale Einsatzspektrum anerkannt worden, so dass die ASt mit ihren Produkten ein gleichwertiges Angebot zum Leitfabrikathätteeinreichen können. AnderesgiltinBezugaufdieviertechnischenDaten,dieinder Leistungsbeschreibungmit dem Zusatz „max.“ versehen wurden. Dabei handelt es sich um die Parameter Gewicht,Schalldruckpegel, Vibrationswert und Emissionswert, dieebenfallsexaktden[...]-Produktenentsprechen.DieProduktederASt überschreiten diese definierten Maximalwertegeringfügig, so dass die ASt mit einem Angebot ihrer Produkte–wie von der Ag in derVerhandlung bestätigt–wegen Abweichens von den Vorgaben zwingend nach § 57Abs. 1 Nr.4 VgV hätte ausgeschlossenwerdenmüssen;die„max.“-Vorgabewirktalsabsolutes Ausschlusskriterium zulasten der ASt. Damit gibt es ausschließlich die[...]-Produkte, welche die Vorgaben erfüllen können. Die Ag hat sich hier zwar mit Nichtwissen eingelassenundaufihreUnkenntnisandererProduktehingewiesen;inder vorangegangenen Unterschwellenvergabe mit identischen Vorgaben hätten sechs -14- Angebote vorgelegen. Auf Nachfrage der Vergabekammer hat sich allerdings die Vermutung bestätigt, dass es sich hierbei wohl um Angebote von verschiedenen Händlern gehandelt hat, nicht um verschiedene Produkte.Der Ag hätte es zunächst einmal oblegen, sich damit zu befassen, welche Auswirkungen die Kennzeichnung der vier Parameter als Maximalwert sich auf den Wettbewerb ergeben; anscheinend war der Ag die wettbewerbsausschließende Wirkung ihrer eigenen Vorgaben nicht bewusst. AuchwennderAuftraggebergrundsätzlichfreiistinderDefinitionseines Beschaffungsbedarfs, so zieht das Gebot der Produktneutralität doch Grenzen. Dies gilt, wie § 14 Abs. 6 VgV deutlich macht, insbesondere dann, wennwie hiernur ein Produkt übrigbleibt, das die Anforderungen erfüllen kann(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juni 2017–Verg 53/16). Der Rechtsgedanke des § 14 Abs. 6 VgV greift auch imvorliegenden Verfahren, obwohl die Ag formal ein offenes Verfahren durchgeführt hat. Denn die Ag hat die Vorgaben versteckt produktspezifischsoausgestaltet, dass nur ein Produkt dieseVorgaben erfüllen kann. Dafür reicht nicht nur ein sachlicher Grund aus; dieser muss vielmehr besonders belastbar sein in dem Sinne, dass es keine vernünftige Alternative geben darf bzw. keine vernünftige Alternativlösung. Der Arbeits-und Gesundheitsschutz, auf den die Ag sich beruft, istzwarauf der einen SeiteeinbesondersbelastbarerGrund,dennesgehtumGerätefürden professionellenEinsatz.DieArbeitskräftemüssentagtäglichmitdenGeräten umgehen, und zwar in stundenlangenEinsätzen. Es ist gerechtfertigt und entspricht auch ihrer Fürsorgepflicht als Arbeitgeberin, dass die Ag höchsten Wert auf Arbeits- und Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeiter legt. Erforderlich wäre aberauf der anderen Seiteim Sinne einer Abwägungeinmal gewesen,dassdieAgsichvordemBeginndesVergabeverfahrensmitden wettbewerblichen Auswirkungen ihrer „max.“-Vorgaben befasst hätte. Ausweislich der Einlassungen der Ag in der mündlichen Verhandlung, wonach die Ag keine Erkenntnisse darüber hatte, ob überhaupt andere Produkte vorhanden sind, welche die Maximalforderungen erfüllen können, war derAg gar nicht bewusst, dass sienur ein Produkt zulässt mit ihren Vorgaben. Sie hat keine Abwägunggetroffen zwischen den Aspekten des Arbeits-und Gesundheitsschutzeseinerseitsund dem Ausschluss aller anderen Produkte vom Vergabewettbewerbandererseits. Aber auch die im Nachprüfungsverfahren von der Ag vorgetragenen Argumente reichen nicht aus, um eine alleinige Zulassung von[...]-Produkten zu rechtfertigen. Es liegt in der Natur des -15- Wettbewerbs, dass die Konkurrenzprodukte unterschiedlich sind und die technischen Daten nicht exakt deckungsgleichsein können. DieAg hat des WeiterenKWF- Zertifikateverlangt,wobeisichdieKWF-PrüfungauchaufdievierParameter erstreckt,diealsMaximalforderungausgewiesenwurden.Mitdiesen Maximalforderungen geht die Ag noch über die Standards der KWF-Prüfung hinaus, dievonderForstwirtschaftselbstdurchgeführtwirdundebenfallshöchste Anforderungen an Arbeits-und Gesundheitsschutz stellt.Esistauch vordem Hintergrund des Arbeits-und Gesundheitsschutzes nicht mehr verhältnismäßig und wettbewerbskonform, Produkte gänzlich vom Wettbewerb auszuschließen, welche die KWF-Standards erfüllen, nicht aber die noch weitergehenden vier Maximalwerte von[...]exakt abbilden können, sondern geringfügig darüber liegen.Der Bedeutung des Arbeits-und Gesundheitsschutzes könnte in wesentlich verhältnismäßigerer Art und Weise Rechnung getragen werden, indem die vier Werte und deren stufenweise Einhaltung als qualitative Wertungskriterien ausgestaltet werden. Dies wäre eine vernünftige Ersatzlösung i.S.v. § 14 Abs. 6 VgV.Die vorliegende Ausgestaltung als zwingende Ausschlusskriterien indes verstößt gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung. b)NichtbegründetistderNachprüfungsantraginBezugaufdieeingeforderte Fachlosbildung. Bei den vier Segmenten an Gewichtsklassen der Motor[...]handelt es sichnicht, wie von der AStohne nähere Begründung vorgetragen, um Fachlose. Das VorliegenvonFachlosenistdurchdasVorhandenseineineseigenenMarktes gekennzeichnet (grundlegendOLG Düsseldorf, Beschluss vom23.März2011–Verg 63/10 und vom11.Januar2012–Verg 52/11zuUnterhalts-undGlasreinigung;dem folgendOLG München, Beschluss vom 9.April2015–Verg 1/15zurErrichtungeiner Lärmschutzwand; OLG Schleswig, Beschluss vom25.Januar2013–1 Verg 6/12zu Brief-und Paketpost). Ein solchereigener Markt ist in Bezug auf die vier Gewichtsklassen nicht gegeben. Die ASt hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Unternehmen[...]sowie sie selbst den Weltmarkt für Motor[...]zu etwa 90 % beherrschen. Beide Unternehmen bieten Motor[...]in allen Gewichtsklassen an, womit ein eigener Markt ausscheidet. Das Gebot der Fachlosaufteilung greift somit thematisch nicht ein. -16- Eine mengenmäßige Aufteilung fordert die ASt nicht, was angesichts der Tatsache, dass die ASt die gesamte Mengeproblemlos liefern kann, auch aus ihrer Sicht nicht zielführend wäre. III. Die Kostenentscheidung, § 182 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, A s. 4 S. 1 GWB,folgt dem Maß des Obsiegens bzw. Unterliegens. Dieses ist für beide Parteien als hälftig zu bewerten. Daherhaben beide Parteien jeweils die Hälfte der Kosten der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen) zu tragen.DiezurzweckentsprechendenRechtsverfolgungbzw.-verteidigungnotwendigen Aufwendungen werden gegeneinander aufgehoben. IV. Gegendie Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig.Sie ist in- nerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schrift- lich beim Oberlandesgericht Düsseldorf-Vergabesenat-einzulegen. DieBeschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Be- schwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Die Beschwerde ist bei Gericht als elektronisches Dokument einzureichen. Dieses muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Dies gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegrün- dung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel ange- ben, auf die sich die Beschwerde stützt. -17- DiesofortigeBeschwerdehataufschiebendeWirkunggegenüberderEntscheidungder Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwer- defrist.HatdieVergabekammerdenAntragaufNachprüfungabgelehnt,sokanndas Beschwerdegericht auf Antragdes Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern |